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Redeemer of Souls - Kapitel 8

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DesertDarky's avatar
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Das Meer glitzerte herrlich in vielen bunt leuchtenden Farben, als die Morgensonne sich an dessen Oberfläche spiegelte, sowie die ersten Häuser von Alarise in ein zartes, oranges Licht tauchte. Die wenigen, kleinen Wolken am Himmel waren in ein frohes rosa gefärbt, das einstimmig mit dem neuen Licht den neuen Tag begrüßte.
Lord James war heute bereits  früh auf und stampfte aufgebracht durch die edlen Gemäuer, wo er einen Raum nach dem anderen hektisch durchsuchte.
„Wo steckt er nur?!“, fluchte er im Gedanken herum.
„Seid gegrüßt, mein König! Seid ihr wohlauf?“, sprach eine tiefe Stimme.
„Ahh, Onox! Ich bin froh, sie angetroffen zu haben. Haben Sie vielleicht Andrew gesehen? Ich kann ihn beim besten Willen nirgendwo finden.“
„Leider nein… aber ich soll Ihnen vom Herrn Gefängnisoffizier ausrichten lassen, er möchte Sie dringend sprechen. Anscheinend ist heute Nacht etwas passiert, wovon Sie unverzüglich benachrichtigt werden sollten. Er hat mir aber nicht erzählt was… Jedenfalls wünscht er, sich mit Ihnen heute um 10 Uhr hier im Thronsaal unterhalten zu können.“ Der Marschall ruckelte einmal an einem seiner Schulterteile, brachte es aus einer unangenehmen Position und straffte sich etwas Schmutz von seiner Rüstung. „Ach ja… Falls möglich, möchte ich Sie nachher noch gern persönlich sprechen.“

„Uargh…“, stöhnte Andrew träge vom Schlafe. „Ist es schon Morgen?“ Rasch setzte er sich auf und stützte sich mit einer Hand ab. Mit der anderen brachte er seine Frisur in Ordnung, die vom Liegen ganz plattgedrückt war und kratzte sich dabei gähnend am Kopf. Erst wenige Zeit später, nachdem er vollkommen aus dem morgendlichen Halbschlaf erwacht war, erinnerte er sich wieder an die Geschehnisse von letzter Nacht. Gleich darauf schmiss er sich noch einmal hin.
„Na du… “, kicherte Elovia, die direkt hinter ihm auf der weichen Decke zu ihm gerichtet lag.
„Oh, hey! Na, gut geschlafen?“, sagte er herzig.
Sanft strich sie ihre Hand über seinen Rücken und fuhr dann weiter nach vorne über. Als sie die genähte Wunde an seiner Seite erfasste, knetete sie einmal daran, was Andrew einen unangenehmen Stich versetzte und ihn kurz zusammenzucken ließ. Schnell ließ sie von ihm ab, als er sich mit einem unüberhörbar genervten Seufzer aufrichtete und nach seiner Kleidung griff.
„Hab ich vielleicht… entschuldige…“ Mit ihren großen Augen und der leicht zerzausten Frisur sah sie bedrückt auf eine leere Stelle am Boden.
„Nein, schon gut. Aber ich sollte nun echt gehen… Bestimmt suchen mich im Schloss schon alle wie verrückt. Ich muss mich beeilen“, erzählte er, als er in Richtung Tür stapfte. Dabei zog er nochmal das Band an seinem Rossschwanz fester zu.
„Wir sehen uns doch wieder… oder?“, klang es leise von unten.
„Natürlich! Ich weiß doch nun, wo du wohnst.“ Der junge Mann schenkte ihr ein leichtes Lächeln, das sie wieder aufheiterte, bevor er sich schließlich wegdrehte und die kleine Hütte verließ.
„Ich kann es nicht erwarten, dich wiederzusehen…“, sang sie heiter im Gedanken.

„Er hat WAS gemacht?! Das kann doch nicht Euer verzweifelter Ernst sein!“, brüllte James den Wärter an.
„Zweifellos, mein Lord, einer unserer Wachen hat Prinz Andrew gestern Nacht zusammen mit dem besagten Mädchen gesehen, das wir vorläufig aufgrund eines Aufruhrs festgenommen hatten. Es besteht die Vermutung, dass er ihr zur Flucht verhalf“, bestätigte der fein gekleidete Mann.
Die Wut, die im König nun aufkochte, da er die unerfreuliche Nachricht erhalten hatte, war kaum mehr zu bremsen.
„Dieser verfluchte…. Dieser… aaaargh!“
Da klopfte wer an der Tür und versuchte sie anschließend von außen mit einigen verzweifeltem Rütteln aufzubringen, was ihm aber keineswegs gelang.
„Immer diese… wie auch immer. Wache, seien Sie doch so freundlich und sperren Sie die Tür auf. Dann kann ich diesem Störenfried sagen, dass er gefälligst einen Termin zu vereinbaren habe, wenn er mit dem König sprechen wolle.“
James‘ Kommando wurde - mit einem stummen Salut begleitet - unverzüglich ausgeführt. Unerwartet schnell öffnete sich die Tür und ein junger Blondschopf fiel mit beiden Händen voraus herein, als hätte er sich schon die ganze Zeit daran gelehnt und dabei vollkommen den Sinn des Gleichgewichts vergessen. Glücklicherweise konnte er sich noch fangen, ohne eine blamable Nummer vorzuführen.
„Vater?“, klang es durch den großen Raum.
„Wenn man von ihm spricht…“, flüsterte James so leise, dass es ihm kaum ausgesprochen vorkam.
„Vater!! Ich weiß, dass du hier bist. Und… äh, stör ich?“ Dem blinden Andrew überkam ein unangenehmes Gefühl, und je länger er sich in dem Raum aufhielt, desto mehr Blicke spürte er, die mit deutlicher Abneigung auf ihn gerichtet waren. Als nach einer ganzen Minute von keinem der Leute, bis auf ein wenig unauffälliges Husten am Rande, kein Ton kam, machte James schließlich den ersten Schritt. Mit lauter Stimme begann er, sich seinem Sohn zu offenbaren.
„Mir ist da so etwas zu Ohren gekommen, weißt du?“
Dem Angesprochenen blieb fast das Herz stehen, als er das hörte und er verspürte das plötzliche Verlangen, tief im Boden zu versinken, oder sich in einen Stein zu verwandeln, dem nie im Leben jemand Beachtung schenken würde. Er wollte erst gar nicht wissen, wie und vor allem wann ihn gestern jemand gesehen haben könnte.
„Du sollst gestern Nacht einer Gefangenen zur Flucht verholfen haben, so hat es mir der Herr Gefängnisoffizier hier erzählt. Ist das wahr?“
Andrew blieb jegliches Wort im Hals stecken. Seine Miene wurde ernst und er brachte für einen Moment keinen Ton mehr heraus. Da kam Elovia ihm in den Sinn. Er hatte ihr doch zutiefst versprochen, sie aus diesem endlosen Schlamassel herauszuholen. Würde er jetzt schweigen, würde er sie und auch sich selbst nur noch weiter hinein reiten.
„Vater…“, begann er langsam.
Ein kurzes „Ja?“ kam als Antwort.
„Dieses Mädchen… ich kenne sie und sie hat mir alles genauestens erzählt. Sie wollte die zwei Männer davon abhalten, ins Schloss einzubrechen und hat ihnen so den Schlüssel heimlich abgeknöpft, den sie einer Angestellten am Tag zuvor geklaut hatten.“
Als er das hörte, lachte James laut auf.
„Klingt das nicht ein bisschen zu weit her geholt? Denkst du ernsthaft, dass ich dir… oder ihr, diese Geschichte glaube?“, gackerte er.
Andrew’s Miene sank weiter, aus Enttäuschung seines ungläubigen Vaters. Dabei machte er sich darüber Gedanken, ob vielleicht doch was drann sein könnte.
„Nein, das kann nicht sein…“, grübelte er. „Aber klar doch… der Schlüssel!“ Der handfeste Beweis für die Wahrheit der Geschichte fiel ihm noch rechtzeitig ein. Er hatte ihn die ganze Zeit schon in seiner Tasche mit sich geführt.
„Hier, Vater. Den hier hat sie mir ehrlich wieder zurückgegeben.“ Mit einem siegreichen Grinsen auf dem Gesicht drückte er dem König den silbernen Schlüssel in die Hand.
„Das ist…-“
„…mehr als Beweis genug?“ Geschickt vollendete der Blondschopf den Satz, den sein Vater begonnen hatte.
James stand rasch von seinem Thron auf.
„Wärter, gehen Sie doch bitte wieder nach unten und richten den gestrig beteiligten Wachen aus, sie können sich für den restlichen Tag frei nehmen. Alle anderen haben ihre Stellung wie immer zu halten. Auf Wiedersehen!“
Ohne weiteres verbeugte dieser sich und machte sich darauf folgend aus dem Staub. Auch Andrew wollte gerade den Saal verlassen, bis der König ihn im letzten Moment dabei ertappte.
„Achja… Fast hätte ich‘s vergessen. Für deiner Sicherheit Willen habe ich fürs Erste die Wachen dazu beauftragt, dich davon abzuhalten, die Stadttore zu passieren, wenn sie dich dabei sehen. Ich hoffe du weißt diese Maßnahmen zu schätzen.“
Mit grimmigem Gesichtsausdruck verließ der Prinz den Saal, ohne sich vorher nochmal zu ihm umzudrehen oder sich gar zu verabschieden.
Sorgfältig überlegte er schon, wie er seinen Vater wohl überlisten könnte, um aus der Stadt zu fliehen. Mit gesenktem Kopf wanderte er die Straße hinab und als wäre es nicht anders zu erwarten gewesen, beobachteten die in übertriebener Zahl vorhandenen Wachen, die nun fast jede Gasse besetzten, ihn bis auf die kleinste Bewegung, als wäre er ein Unhold, dessen Hinterlist man in keinster Weiße trauen dürfte. Manche Menschen und Elfen, die sich ebenso fühlten, hatten sich nach zahlreichen Missachtungen auch in solch einen verwandelt, ohne dass sie es von Anfang an so kommen lassen hätten. Als Elovia in seinen Gedanken erschien, was in letzter Zeit immer öfter passierte, führte sie ihn in das Gasthaus Rosenblüh, jenem Ort, an dem er ihr das erste Mal inoffiziell begegnet war. Mit einer Hand öffnete er die schwere Tür, hielt sie für kurze Zeit mit einem Fuß am Boden offen und begab sich dann auf dessen andere Seite. Rasch hatte er die Anzahl der Personen herausgefunden, die sich in der kleinen, gemütlichen Stube befanden. So außergewöhnlich sich seine Sinne inzwischen entwickelt hatten, konnte er anhand ihrer Atemzüge feststellen, wie die Person gebaut war. Laut seiner Berechnungen waren außer ihm selbst zurzeit fünf Leute im Raum, drei davon Männer.
„Anu…?“, flüsterte plötzlich eine zarte, weibliche Stimme, dessen Besitzerin er niemals vergessen könnte. Der Klang ließ ihn im ersten Moment innerlich aufschrecken, dabei hoffte er, sich in seinem Sinne nicht geirrt zu haben.
„El??“, fragte er. Da ertönte ein leises Kichern. Also folgte er der leisen Stimme und schmiss sich auf den freien Platz in der kleinen, hölzernen Eckbank zu ihr.
„Andrew! Ich bin so froh, dass du mich gefunden hast“, flüsterte sie, nahm seinen Arm und zog ihn näher an sich heran. „Während ich auf den Weg hier her war, haben mir all die Wachen, denen ich auf der Straße ins Blickfeld gekommen bin, wie verrückt nachspioniert. Anscheinend hegen sie noch immer einen Groll gegen mich. Ich weiß nicht, ob es dir schon aufgefallen ist, aber auch hier im Raum befinden sich zwei von ihnen.“
Für eine Sekunde sah sie zu den beiden Männern hinüber, die auf der anderen Seite des Raumes auf der Bank gegenüber, in unübersehbar auffälligem Blickfeld saßen. Einer davon hatte rotes Haar mit einem einfachen Bart, der andere hatte Schwarzes und beide trugen einen angemessenen Wappenrock mit der Königsflagge in den Farben golden und weiß.
„Elovia… du weißt, dass es nicht gut für dich ist, dich hier aufzuhalten. Du hättest nicht extra wegen mir her kommen müssen.“
„Tut mir leid… ich konnte einfach nicht anders.“ Mit einem leicht bedrückten Schmollen sah sie auf den prächtig gedeckten Tisch herab.
„Wie auch immer… Nun da mein Vater herausgefunden hat, was gestern passiert ist, hat er mich wie einen Hund hier angekettet. Er hat mir strikt verboten, die Stadt zu verlassen und sollte ich es dennoch versuchen, würde ich mit umso größeren Konsequenzen rechnen müssen. Ich weiß zwar nicht, in was er sich in letzter Zeit verwandelt hat, aber er ist mir gänzlich unheimlich geworden“, ein Seufzer entging ihm. „Und… wie es scheint, findet man nicht mal mehr hier seine Ruh, ohne dass einem gleich überall, wohin man geht, von seinen Männern in den Rücken gestarrt wird“, erzählte er bedrückt.
„Hey…“ Sie versuchte vergebens, ihn zu beruhigen.
„ Ich muss von hier weg“, sprach er in leisem und deutlich entschlossenem Ton, „Vielleicht kann ich ihn irgendwie überlisten.“
„Nein…. Bei den vielen Wachen wäre es schwierig, dich auf die andere Seite der Mauern zu bringen, ohne gesehen zu werden, aber vielleicht wüsste ich da was.“ Anscheinend suchte sie irgendetwas in ihrer ledernen Handtasche. Gespannt darüber, was in ihrem Kopf vorging, wartete er aufmerksam darauf, was als nächstes kam.
„Okay Anu, wir sehen uns heute Abend am Kapellhof, pünktlich um 10 Uhr.“ Nach dieser Anordnung stand sie auf und hing sich die Tasche um, dessen Halterung lang genug war, dass sie sie leicht um ihren Oberkörper legen konnte.
„Warte, was hast du vor?“
„Das wirst du noch früh genug erfahren“, flüsterte sie ihm ins Ohr und zwinkerte einmal, „vertrau mir einfach, okay?“ Mit graziösen Schritten stolzierte sie zur Tür hinaus. Mit leicht verwirrten Gesichtsausdruck und einer angehobenen Augenbraue, die es beinahe so aussehen ließen, als hätte sie ihn gerade abserviert, sah er noch solange in ihre Richtung, bis sie hinter der Tür verschwand.
„Ich hoffe sie weiß, was sie tut“, fügte er im Gedanken hinzu.
Deutlich aufgefallen war ihm nun auch, wie die beiden Wachen, die sich im Raum befanden, nun zu tuscheln begannen. Was diese aber nicht wussten war, dass er jedes ihrer Worte mit seinen Elfenohren klar und deutlich hören konnte, obwohl die beiden nicht-thalassischen Männer ein ganzes Stück weiter am anderen Ende des Raumes saßen.
„Sag mal, dieses Mädel… war das nicht die, die gestern Nacht so einen Aufstand oben am Schloss gemacht hat?“, meinte einer der Beiden zum anderen.
„Ja, und wahrscheinlich hegt sie irgendwelche hinterhältigen Pläne, wobei sie unseren Prinzen auch noch dazu angestiftet hat, sie bei ihrer Sache zu unterstützen. Ich sag dir, Ron, dem Jungen ist nicht mehr zu trauen. Wer weiß, wann er einer Ihresgleichen wird.“
Sein Gegenüber nickte leicht und sah forsch zu Andrew hinüber, der nun ebenfalls aufstand und zur Tür hinaus ging.
„Stimmt, nach all dem was passiert ist traue ich ihm auch nicht mehr über den Weg. Wir sollten die beiden auf jeden Fall im Auge behalten und sehen, was passiert“, meinte der Rotschopf. Dabei kratzte dieser sich kurz am Kopf und fuhr sich mit einem Finger ins Ohr.

Bis auf weiteres verflogen die folgenden Stunden wie im Nu und ehe die letzten Sonnenstrahlen sich von den Stadtmauern verabschiedeten, war der Abend hereingebrochen. Der klare Himmel war nur durch wenige, nächtliche Wolken geziert, die langsam vorbeizogen und den stillen Schein des Vollmonds reflektierten. Schleichend wie ein Fuchs auf Beutezug, bewegte sich der thalassische Prinz im Schutze der Dunkelheit durch die edlen Gärten des Schlosshofs. Bis auf seine dunkle Lederrüstung und zwei Schwerter, die er heimlich aus der Waffenkammer mitgehen hat lassen, hatte er nichts mit genommen. Obwohl es hier kaum Wachen gab, handelte er mit äußerster Vorsicht und gab sich alle Mühe, ungesehen zu bleiben. Zur selben Zeit hielt sich eine weitere Person wenige Meter entfernt auf der kleinen Terrasse auf, an dessen Leuchten noch Licht brannte. Der Ansässige trank genüsslich eine Tasse Tee, bis ihm ein auffälliges Rascheln zu Ohren kam. Getrübt von der tiefen Dunkelheit und den Schatten, die die Bäume auf das mittellange Gras warfen, versuchte er, etwas zu erkennen. Und siehe da, als er die schleierhafte Gestalt bemerkte, die sich fort zu durch das Gebüsch bewegte, nahm er die Verfolgung auf und versteckte sich tückisch hinter einem Baum.
Der Blutelf hatte den Verfolger schon wahrgenommen und zeigte das, indem er deutlich Tempo machte und versuchte, ihm aus dem Blick zu gehen. Trügerische, unheimliche Schatten sammelten sich in den Geästen der Sträucher, die nur darauf warteten, sich herabzustürzen. Als der Prinz geglaubt hatte, der drohenden Gefahr entkommen zu sein, hielt er kurz inne. Da sprang plötzlich jemand von hinten auf ihn zu, umklammerte seinen Oberkörper mit beiden Armen und fiel zusammen mit ihm ins Gras. Der erste Gedanke war, sich von ihm möglichst schnell loszureißen und zu flüchten, ohne erkannt zu werden.
„Haha, jetzt hab ich dich, du Schurke!“, lachte der unbekannte Mann, der ihn an beiden Armen festhielt und ihn mit einem Fuß niederdrückte. Mit einer unerwarteten, nahezu perfekten Bewegung gelang es dem jedoch, den Mann geschickt von sich ab zu stoßen und drehte sich so um, dass er mit dem Rücken nach unten auf der Wiese lag. Als dieser sein Gesicht erkannte, kam er ins Stottern.
„A-Andrew? Aber wieso?“ Auch dieser hätte es nicht erwartet, hier und heute auf ihn zu stoßen und hatte sich nun versichert, wem er gegenüberstand.
„Herr Gabriel! Was machen Sie denn noch so spät…“, kam es nun von dem ebenso verwunderten Prinzen, der noch völlig verdattert am Boden lag.
„Dasselbe sollte ich dich fragen, mein Junge.“ Ohne weiteres reichte er ihm erstmals eine Hand, umklammerte fest das Handgelenk und zog ihn daran hoch. „Was führt dich so spät noch dazu, im Garten so herumzuschleichen? Als ob du etwas Verlorenes wiedersuchen wolltest, sah das Ganze jedenfalls nicht aus.“
Grübelnd suchte Andrew nach einer guten Ausrede, die er in jener Minute aber einfach nicht finden konnte. Dabei fiel ihm wieder ein, wie oft sein Lehrer ihm in der Vergangenheit schon aus der Patsche geholfen und es vor seinem Vorgesetzten verschwiegen hat, um Andrew den Ärger zu ersparen. Auch wenn Gabriel von außen streng und selbstbewusst wirkte, war er in seinem privaten Verhältnis zu ihm zu einem vertrauenswürdigen Freund geworden. Also entschloss er, ihm über seinen Plan mit Elovia zu erzählen.
„Du willst WAS?!“, kreischte sein Lehrer.
„Ja. Ich habe mich fest dazu entschlossen, die Stadt vorerst zu verlassen und die Sache auf eigene Faust in die Hand zu nehmen, ob es meinem Vater passt oder nicht. Ich kann einfach nicht mehr länger hier verharren und nichts tun, während ich da draußen vielleicht irgendwo gebraucht werde.“
Folgedessen legte er beide Hände an die Schultern seines Lehrers.
„Herr Gabriel… Sie müssen mir fest versprechen, niemandem ein Wort von der ganzen Sache zu erzählen. Versprechen Sie mir das…“
„Nun denn. Mögest du dort draußen finden, wonach du suchst, Andrew. Pass gut auf dich auf… und solltest du je zweifeln, denk daran, dass du bei mir stets willkommen sein wirst“, gab er ihm noch mit, bevor er wandte und sich wieder auf den Weg zurück zur Terrasse machte.
„Das werde ich, Gabriel…“ Leise verschwand er tief in den Schatten des Geästes.

„Inzwischen müsste er schon längst hier sein…“, notierte Elovia sich im Gedanken. Ein paar Wachen hatten sich inzwischen auf dem Platz versammelt, während sie sich ein sicheres Versteck in einem Baum neben dem Park gemacht hatte. „Ehh… ich hab vergessen, ihm zu sagen, wo genau ich mich verstecke. Hoffentlich ist er so schlau und wandert nicht mitten in die Menge hinein…“ Während sie sich das bildlich vorstellte, klatschte sie sich die Hand aufs Gesicht und musste bedrückt grinsen. Eine Weile verging und noch immer war niemand zu sehen. Inzwischen hatte sie aus Langeweile begonnen, ein altes Lied zu summen, das ihr auf einmal wieder in den Sinn kam. Es war ein thalassisches Lied, das von einem sonnigen  Sommertag in Silbermond erzählte. Es waren schon viele Jahre vergangen, seit sie es zum letzten Mal gehört hatte, aber die Melodie war fest in ihrer Erinnerung eingeprägt. Sie war sich fast sicher, dass ihre Ziehmutter, mit der sie einst dort gelebt hatte, es ihr noch einmal vorgesungen hatte, bevor sie bei einem Angriff auf die große Stadt verstarb. Damals zog sie zusammen mit den anderen in den Süden, aber ihre Geldvorkommnisse reichten kaum aus, um sich eine kleine Wohnung zu kaufen. Daher war alles, was sie sich noch leisten konnte, die kleine Hütte nahe dem Bergaufstieg.
Ihr Summen wurde unterbrochen, als eine starke Hand, die wie aus dem Nichts kam und ihr Fußgelenk fest umklammerte, sie plötzlich aus ihren Gedanken riss.
„Waaah!“, kreischte sie und erstarrte vor Schreck. Darauf folgend hörte sie ein amüsiertes Kichern, das von unten kam, als sie mit immer noch entsetztem Blick sein Gesicht musterte, fiel ihre Miene vor Erleichterung. Zugleich empfand sie ein Gefühl von Freude.
„Hier bin ich!“
„Andrew… wieso musstest du mich auch so erschrecken!“ Leicht beleidigt schmollte sie ihren Partner an, während sie zu ihm hinunter kletterte. Als er ihre Taille sanft umfasste, verwandelten sich ihre Gefühle in kribbelnde Freude. Sichtbar glücklich fiel sie ihm um den Hals und küsste ihn. Auch, wenn sie vielleicht nicht der beste Zeitpunkt dafür gewählt hatte, konnte sie sich in jener Sekunde einfach nicht mehr bremsen.
„Herr Wachmeister! Habt ihr das auch gehört? Da war doch was!“, verkündete einer der Männer, die auf dem Kapellplatz ihre Runden streiften und die Gegend noch nach Verdächtigen absuchten.
„Seht! Da ist wer im Gebüsch!“, so kam es von weiter hinten. Aller Mann Aufmerksamkeit war nun an die Stelle gelenkt, auf die er gezeigt hatte.
„Lass uns von hier verschwinden, El“, hastete Andrew. Gerade als er sie für einen Augenblick nicht mehr beachtet hatte, war sie schon ganz woanders.
„Pst! Hier oben!“, kam es von ihr.
Mit ein paar gekonnten Griffen und einem Ruck war er ebenfalls in Kürze auf das kleine Vordach geklettert.
„Da sind sie! Dort oben, auf dem Dach! Los, hinterher!“, rief ein anderer Wachmann und gab ein Handzeichen, worauf sich gleich eine ganze Gruppe wie auf Kommando auf die Straße machte. Ebenso rasch bewegten sich die zwei Flüchtigen über den Dächern und glücklicherweise ergab sich dabei auch ein kleiner Vorteil für sie. Die meisten der Häuser waren dicht aneinander gereiht und so gab es nur wenige Hürden, die es zu überwinden galt, was das ganze um einiges einfacher für Andrew machte. Dicht gefolgt von ihrem Gefährten rannte Elovia voraus und warnte ihn früh genug vor Abgründen oder Bruchstellen im Boden. Anbei war es mittlerweile schon ziemlich dunkel geworden und nur wenige Straßenlampen brachten neben dem Mond, Licht ins Geschehen, so strengte sie sich an, nichts zu übersehen. Als die Reihe von Gebäuden endete, kam die Schurkin mit langsamer werdenden Schritten ins Stehen.
„Hier geht es nicht mehr weiter“, stellte sie fest.
„Was nun??“, keuchte Andrew und stützte sich im Stehen mit beiden Händen in die Knie.
„Warts ab bis sie uns eingeholt haben und direkt in meine Falle laufen. Du wirst schon sehen.“
Leicht irritiert von der ganzen Situation wartete er darauf, die trommelnden Schritte der Gruppe näher kommen zu hören, doch da war nichts. Stattdessen schienen sie sich nur noch weiter zu entfernen. Auch Elovia wurde die Sache langsam unheimlich. Wurde sie etwa durchschaut?
„El, ich glaube, dass sie zu den Stadttoren marschieren“, kam es von ihm. „Wir müssen dort sein, bevor sie eine Gelegenheit bekommen, sie zu verschließen. Wenn nicht, können wir unseren Fluchtplan schmeißen. Los, beeilen wir uns.“
Zustimmend nickte sie und folgte dem neuen Plan. Sachte spähte noch einmal kurz die Gegend ab, bevor sie sich mit Geschick auf ein kleineres Vordach herab ließ und nach unten sprang. Nur etwa halb so geschickt ging Andrew es an, der aber am Ende noch glücklicherweise unversehrt wieder mit beiden Beinen auf dem Boden stand. Die Beiden setzten ihr schnelles Tempo fort.
„Mit wie vielen denkst du, müssen wir rechnen?“, fragte sie im Laufen.
„Angenommen, sie haben sich zusammengeschlossen, müssten es inzwischen um die zwanzig Mann sein.“
„Gut… das hier sollte genügen.“ Grinsend zog sie eine Faustgroße, golden schimmernde Kugel aus ihrer ledernen Handtasche, die sie stets mit sich führte. „Das hier ist eine sogenannte Sonnenkugel. Ich weiß zwar nicht, ob du schon mal eine in Händen gehalten hast, aber diese Dinger können zu einem äußerst praktischen Hilfsmittel oder Waffe werden. In den Moment, in dem sie zerbricht, gibt sie einen mächtigen Blitz frei, der in die Netzhaut eindringt und all die, die ihn sehen, für eine ganze Weile desorientiert. Wenn unser Plan gelingt und ich sie erfolgreich an den Wachen einsetzen kann, verschafft uns das etwas Zeit.“
Nach einigem hin und her erreichten sie endlich den Bereich vor den Toren, der deutlich mehr beleuchtet war, als diverse andere Orte in der Stadt. Knapp fünfzehn Wachen, die im Begriffe waren, eine menschliche Mauer zu bilden, zählte sie im Vorbeilaufen und stürzte sich in deren Blickfeld. Ehe diese auch nur das Geringste unternehmen konnten, schloss die flinke Brünette die Augen und warf die Kugel  mit voller Kraft zu Boden, sichergehend, dass sie auch plangemäß zerbrechen und den Blitz entfachen würde. Die Attacke zeigte ihre Wirkung und schon nach kurzem hielten die meisten von ihnen sich die Hände aufs Gesicht oder irrten planlos umher. Andrew war in jenem Moment froh, auf dieses Licht in jeglicher Art und Weiße immun zu sein.
Da kamen je zwei weitere Männer von beiden Seiten, die ein letztes mal versuchten, ihnen die Flucht zu verschanzen. Doch bevor sie zuschlagen konnten wurde einer nach dem anderen von Elovias ausgefallenen Tricks und Schritten überwältigt. Was sie als erstes tat war ihre Gegner kurzerhand mit einem Kick zu entwaffnen. Ihre Dolche wollte sie jedoch nicht einsetzen. Auch Andrew schaffte es, einem Schwertstreich auszuweichen und es der Wache aus der Hand zu schlagen. Es stellte sich heraus, dass hinter den dicken Rüstungen gar nicht einmal so viel Mumm steckte, wie er bisher stets geglaubt hatte. Die letzten Zwei packte er an je einem Arm, machte daraus kurzen Prozess und warf sie beidseitig zu Boden.
„Los, verschwinden wir von hier!“, rief die Schurkin ihrem für sich gewonnenen Partner zu, worauf er ihren schnellen Schritten sicher in die Freiheit folgte.
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Xatex's avatar
Zitat wiedermal :P (ich bin gemein, oder? ^^):
"Der Marschall ruckelte einmal an einem seiner Schulterteile, brachte es aus einer unangenehmen Position und straffte sich etwas Schmutz von d(s)einer Rüstung."

Dings bums:
"„Ja, und wahrscheinlich hegt sie irgendwelche hinterhältigen Pläne, wobei sie unseren Prinzen auch noch dazu an(ge)stiftet hat, sie bei ihrer Sache zu unterstützen."

*gelesen hab*
Du schreibst besser, als ich's erwartet hätte. Mittlerweile kann ich es mir so vorstellen, als ob ich einen Film sehen würde. Und es ist je länger je mehr interessant.